Häufigkeit von Rückenschmerzen in normaler Bevölkerung und Sportlern
Rückenschmerzen, besonders im unteren Rücken, sind ein häufiges Problem und die Hauptursache für Arbeitsausfälle und Aktivitätseinschränkungen weltweit. Sie belasten Betroffene, Gesellschaft und Gesundheitssystem stark. Studien zeigen, dass bis zu 85 % der Menschen im Laufe ihres Lebens davon betroffen sind (Trompeter et al., 2017).
Die folgende Übersicht ist vom Bundesamt für Statistik und zeigt die Häufigkeit der Rücken – oder Kreuzschmerzen in der Bevölkerung ab 15 Jahren. Rund 40% der männlichen und 50% der weiblichen Personen klagen über Schmerzen in diesen Bereichen. In der allgemeinen Bevölkerung sind die Schmerzen auf schwere körperliche Arbeit, Adipositas, schlechte allgemeine Gesundheit, schlechte Haltung und niedrigen sozioökonomischen Status zurückzuführen.
Obwohl Sportler seltener von diesen Faktoren betroffen sind, können sie unter Stress, Müdigkeit und psychischem Druck leiden – alles psychosoziale Faktoren, die sie für Rückenschmerz anfällig machen könnten. Zudem neigen Sportler in manchen Fällen zu Überaktivität und je nach Sportart zu einseitigen Bewegungsmustern. Auch dies macht die Zielgruppe anfällig für Beschwerden.

Was sind Rückenschmerzen?
Betroffener Bereich
Rückenschmerzen treten an verschiedensten Stellen auf: Dabei können Nacken und oberer Rücken oder mittlerer Rücken oder auch unterer Rücken betroffen sein. Am häufigsten zu beobachten sind Schmerzen im Kreuz. Laut den europäischen Leitlinien zur Prävention von Rückenschmerzen wird LBP (Low Back Pain) definiert als „Schmerz und Unwohlsein, lokalisiert unterhalb des Rippenbogens und oberhalb der unteren Gesäßfalten, mit oder ohne Beinschmerzen“ (Burton et al., 2006).
Spezifische vs. Unspezifische Rückenschmerzen
Die Ursache spezifischer Rückenschmerzen basieren auf einer klaren Ursache wie beispielsweise einer Fraktur, einem Bandscheibenvorfall oder etwas Schlimmerem. Nur 10% aller Rückenschmerzen sind spezifisch.
Viel häufiger sind unspezifische Rückenschmerzen, welche rund 95% der Rückeschmerzbevölkerung betreffen. Die Ursachen eines solchen Schmerzes unterliegen einem funktionellen Problem der Muskulatur.
Akut vs. chronische Rückenschmerzen
Bei Schmerzen unterscheidet man zwischen akut, subakut und chronischen Schmerzen. Bei Schmerzen bis zu 4 Wochen redet man von akuten – bei länger als 6 Wochen anhaltendem Schmerz von chronischen Schmerzen.
Schmerzen trotz guter Fitness – Ursachen und Auslöser bei Sportlern
In über 80% der Fälle ist der Schmerz muskulären oder bessergesagt funktionellen Ursprungs.
Regelmäßige Bewegung kann das Risiko von unteren zwar Rückenschmerzen verringern, der Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Rückenschmerzen wird jedoch als U-förmig beschrieben. Zu hohe körperliche Aktivität kann das Risiko erhöhen (Heneweer et al., 2009).

Akute Verletzungen als Ursache
Akute Schmerzen im unteren Rücken können durch plötzliche Ereignisse wie Unfälle mit Trauma körperliche Auseinandersetzungen in Kampfsportarten oder das Heben schwerer Gewichte entstehen. Diese akuten Vorfälle können zu Verletzungen der Bandscheiben, Muskelzerrungen oder Entzündungen im Bereich der Wirbelsäule führen.
Chronische Belastungen als Ursache
Chronische Beschwerden sind jedoch wesentlich häufiger als akute Verletzungen. Viele Sportarten setzen die Wirbelsäule und die Rückenmuskulatur über längere Zeiträume hohen Belastungen aus. Dies kann Entzündungen, Muskel Dysbalancen, Muskelverspannungen auslösen, und in einigen Fällen, Verletzungen der Bandscheiben und Wirbelgelenke verursachen.
Sportartspezifische Belastungen
Einige Sportarten begünstigen durch ihre spezifischen Bewegungsanforderungen das Auftreten von unteren Rückenschmerzen
- Rotationsintensive Sportarten: wie z.B. alle Schlägersportarten (Tennis, Golf, Hockey, Handball) sind durch die ständige einseitige Rotation des Rumpfes besonders anfällig für Beschwerden. Dabei treten oft muskuläre Dysbalancen zwischen der dominanten und der nicht-dominanten Seite auf.
- Flexionshaltungen: RadsportlerInnen verbringen viel Zeit in einer vorgebeugten Position, was die Lendenwirbelsäule stark beansprucht.
- Sportarten mit hoher Stoßbelastung: Disziplinen wie Skilanglauf, Snowboard und Ski- Freestyle (Halfpipe, Slope-Style, Big Air) zeigen höhere Prävalenzraten für Rückenprobleme aufgrund repetitiver Belastungen der Wirbelsäule.
Trainingsvolumen und Belastungsmanagement
Ein weiterer entscheidender Faktor für das Risiko von Rückenschmerzen ist das Trainingsvolumen. Hohe Trainingsumfänge und wiederholte Bewegungen können die Wirbelsäule stark belasten. Insbesondere eine plötzliche Erhöhung des Trainingsumfangs ist kritisch.
Zusätzliche Risikofaktoren
Beweglichkeit: Eingeschränkte Beweglichkeit wie beispielsweise ein verkürzter Hüftbeuger oder eine verkürzte hintere Oberschenkelmuskulatur zwingt die Lendenwirbelsäule in eine Fehlposition, in der die Belastung auf das Gelenk höher ist.
Rumpfkraft: Die tiefe Bauchmuskulatur ist zuständig für das Stabilisieren der Lendenwirbelsäule. Daher führt eine schwache Rumpfkraft oft zu einer Überbelastung der Lendenwirbelsäule (Zemková et al., 2020).
Schmerzen vorbeugen
ACWR
Das Konzept der “Acute-to-Chronic Workload Ratio” (ACWR) bietet eine Möglichkeit, das Trainingsvolumen besser zu steuern. Es beschreibt das Verhältnis zwischen der kurzfristigen (aktuelle durchschnittliche Wochenlast) und der langfristigen (z. B. 4 Wochen) Trainingsbelastung.
Zur Übersicht eine Formel:
ACWR= durchschnittliche Belastung (in den letzten 7 Tagen) Durchschnittliche Belastung (in den letzten 4 Wochen)
Interpretation
AWCR 0.8- 1.3: Geringes Risiko
AWCR > 1.3: Erhöhtes Risiko für Überbelastung
Kräftigung und Beweglichkeit
Wie bereits gesagt sind beide Faktoren wichtig für eine gute Rückengesundheit. Deshalb lohnt es sich, für eine gute Rumpfmuskulatur und Beweglichkeit, Zeit zu investieren.
Hier ein paar Übungen, die dir helfen könnten:
Kräftigung:
Crook Abdominal Crunch (3×10)
Leg Dich auf den Rücken, winkeln die Beine an und stellen die Füße auf den Boden. Hebe die Arme vom Boden ab und ziehe das Kinn an die Brust. Strecken die Hände zu den Knien und heben den Oberkörper vom Boden ab. Führe die Bewegung kontrolliert wieder nach unten, wobei das Kinn nach innen gestreckt bleibt.
Short lever side plank with hip abduction (3x20s)
Lege Dich auf die Seite und stützen den Oberkörper auf den Ellbogen ab.
Deine Hüften sollte gerade sein, das Knie des Unterschenkels ist auf 90 Grad gebeugt, das andere Knie gerade.
Hebe die Hüften vom Boden ab. Bleibe in dieser Position und heben das obere Bein direkt zur Decke und drücke das untere Knie gegen den Boden, um die Hüfte weiter anzuheben.
Halten diese Position einen Moment lang. Kontrolliere die Bewegung, während Du in die Ausgangsposition zurückkehrst.
Hip Bridges (3×15)
Lege Dich auf den Rücken, beuge die Knie und stelle die Füsse flach auf den Boden. Die Füße sollten hüftbreit auseinander stehen, die Zehen zeigen geradeaus. Lege die Arme an die Seite.
Ziehe den oberen Teil des Beckens zum Boden, spannen die Gesässmuskeln und die Bauchmuskeln an und hebe die Hüfte in Richtung Decke.
Hebe die Hüfte so weit wie möglich an, ohne den Rücken zu krümmen. Ziel ist es, die Hüfte so weit anzuheben, dass sich der Körper in einer geraden Linie vom Knie über die Hüfte bis zur Schulter befindet.
Drücke die Gesässmuskeln in der obersten Position so fest wie möglich zusammen und halte sie zwei Sekunden lang.
Senke die Hüfte langsam auf den Boden ab und halte dabei die Spannung in den Gesäßmuskeln und den Bauchmuskeln.
Beweglichkeit
Hip Flexor Stretch (3x 60s)
Lege das Bein vor Dich, wobei das Knie im 90°-Winkel angewinkelt ist und der Fuss flach auf dem Boden steht. Du kannst die Hände zur Unterstützung auf den Oberschenkel legen. Lehne Dich nach vorne und drücke die Hüfte nach vorne, während der Fuss auf dem Boden bleibt. Spüre die Dehnung an der Vorderseite des Oberschenkels und der Hüfte. Halten. Kehre in die Ausgangsposition zurück. Wiederhole die Übung auf der anderen Seite.
Piriformis Stretch (3x60s)
Lege Dich flach auf den Rücken und winkle beide Beine an. Stelle nun den Fuss des rechten Beines auf das Knie des linken Beines. Lege Deine Hände unter den Oberschenkel des linken Beins und ziehe das Bein nach oben. Halte diese Position für die vorgeschriebene Dauer. Wiederhole die Übung auf der anderen Seite.
Schmerzen bekämpfen – Was sind meine Möglichkeiten?
Physiotherapie
Die Behandlung von Rückenschmerzen hat sich von der Suche nach einer konkreten Schmerzursache hin zu einem ganzheitlicheren Ansatz entwickelt. Forschung und Leitlinien zeigen, dass es meist nicht nötig ist, die genaue Gewebestruktur zu bestimmen. Stattdessen wird ein gestufter Ansatz bevorzugt, bei dem die Behandlung individuell nach internationalen Richtlinien angepasst wird (Koes et al., 2010).
Bewegungs- und manuelle Therapie
Gelenke mit eingeschränkter Beweglichkeit werden mit manuellen Techniken behandelt. Mobilisation der Wirbelsäule kann in Kombination mit Bewegungstherapie helfen, Schmerzen zu reduzieren und die Funktion zu verbessern (Bardin et al., 2017). Kräftigung – und Dehnübungen sind wirksam bei Instabilitäten und hypermobilen Gelenken, um die Funktion und die Wahrnehmung zu verbessern. Empfohlen werden individuell angepasste Programme zur Stärkung von Rumpfkraft, Flexibilität und Muskelkraft. Bei Rückenschmerzen raten wir zu einem Erstbefund durch unsere Physiotherapeuten, um die Ursache zu klären und einen massgeschneiderten Therapieplan zu erstellen.
Quellen:
Webseiten
https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/rueckenschmerzen/hintergrund
https://ruecken-zentrum.de/blog/wp-content/uploads/2019/10/LWS-%c3%9cbungsprogramm-Tabelle1.pdf
Papers
Bardin, L. D., King, P., & Maher, C. G. (2017). Diagnostic triage for low back pain: A practical approach for primary care. The Medical Journal of Australia, 206(6), 268–273. https://doi.org/10.5694/mja16.00828
Burton, A. K., Balagué, F., Cardon, G., Eriksen, H. R., Henrotin, Y., Lahad, A., Leclerc, A., Müller, G., van der Beek, A. J., & COST B13 Working Group on Guidelines for Prevention in Low Back Pain. (2006). Chapter 2. European guidelines for prevention in low back pain: November 2004. European Spine Journal: Official Publication of the European Spine Society, the European Spinal Deformity Society, and the European Section of the Cervical Spine Research Society, 15 Suppl 2(Suppl 2), S136-168. https://doi.org/10.1007/s00586-006-1070-3
Heneweer, H., Vanhees, L., & Picavet, H. S. J. (2009). Physical activity and low back pain: A U-shaped relation? Pain, 143(1), 21–25. https://doi.org/10.1016/j.pain.2008.12.033
Koes, B. W., van Tulder, M., Lin, C.-W. C., Macedo, L. G., McAuley, J., & Maher, C. (2010). An updated overview of clinical guidelines for the management of non-specific low back pain in primary care. European Spine Journal: Official Publication of the European Spine Society, the European Spinal Deformity Society, and the European Section of the Cervical Spine Research Society, 19(12), 2075–2094. https://doi.org/10.1007/s00586-010-1502-y
Nowotny, A. H., Calderon, M. G., De Souza, P. A., Aguiar, A. F., Léonard, G., Alves, B. M. O., Amorim, C. F., & Da Silva, R. A. (2018). Lumbar stabilisation exercises versus back endurance-resistance exercise training in athletes with chronic low back pain: Protocol of a randomised controlled trial. BMJ Open Sport & Exercise Medicine, 4(1), e000452. https://doi.org/10.1136/bmjsem-2018-000452
Trompeter, K., Fett, D., & Platen, P. (2017). Prevalence of Back Pain in Sports: A Systematic Review of the Literature. Sports Medicine, 47(6), 1183–1207. https://doi.org/10.1007/s40279-016-0645-3
Zemková, E., Kováčiková, Z., & Zapletalová, L. (2020). Is There a Relationship Between Workload and Occurrence of Back Pain and Back Injuries in Athletes? Frontiers in Physiology, 11. https://doi.org/10.3389/fphys.2020.00894